In einer durchökonomisierten Welt mag künstlerisches Handeln fremd und ineffektiv wirken. Kunstobjekte werden als Anlageobjekte, eng verknüpft mit zukünftigen Gewinnerwartungen betrachtet. Aber Kunst kann viel mehr…
Wir leben in einer Welt der ungleichen Chancen, in der Menschenrechte nur partielle Gültigkeit besitzen. Teilhabegerechtigkeit ist weder im individuellen, noch im globalen Kontext gewährleistet. Die ideologisch konstruierte Trennung zwischen einem „Wir“ und „dem Fremden“ hält Einzug in die Köpfe vieler Menschen. Menschliche Beziehungen leiden unter einem Mangel an Empathiefähigkeit und die hierarchisierten globalen Verhältnisse unter einem Mangel an Ästhetik. Diese Welt sollte neu erfunden werden!
Der zeitgenössische Kunstbegriff benötigt kein materielles Objekt. Das künstlerische Werk kann aus einer Idee, einem Gedanken oder einem Konzept bestehen. Entscheidend dabei ist, dass das wie auch immer geartete Werk imstande ist, das vordergründige Erscheinungsbild der Dinge oder Geschehnisse in einem anderen Licht zu zeigen. Der künstlerische Raum öffnet ein Fenster zu neuen Sichtweisen, Erkenntnissen und Entdeckungen. Im Tun und in der Konfrontation mit dem Unbekannten ereignen sich Überraschungen. Eine ernsthafte künstlerische Praxis vermag mit sinnlichen und/oder ästhetischen Mitteln einen Perspektivwechsel zu veranlassen und etwas zu zeigen, was bislang nicht zugänglich war. Ernsthaftes künstlerisches Tun beinhaltet also das Potential, Dinge neu zu sehen und zu gestalten. Die eigene Welt kann neu erfunden werden.
Auf dieses Potential bauen auch Lernprozesse in unterschiedlichsten Kontexten. Implementiert man ästhetische Erfahrungen und künstlerisches Tun in Bildungskontexte, entfalten die Gesetze der Ästhetik auch im nicht-künstlerischen Raum ihre Wirksamkeit. Verlässt man die Sicherheit des bereits Bekannten und experimentiert man mit unterschiedlichen künstlerischen Verfahren, beschreitet man einen Weg, der ein Werk ermöglicht, das über einen künstlerischen Ausdruck verfügt, der über das rational Verstehbare hinausgeht. So entsteht eine kleine neue Welt, in der ich meine Arbeit als die Suche nach der Ästhetik menschlicher Beziehungen mit künstlerischen Strategien verstehe.
In dieser Welt habe ich bereits vielfältige Erfahrungen gesammelt. Zahlreiche künstlerische Projekte mit Kindern, Jugendlichen und Erwachsenen zeigen, dass künstlerisches Tun eine wichtige Ressource auf dem Weg zur kreativen und selbstbestimmten Lebensgestaltung ist. Künstlerische und kulturelle Aktivitäten können dazu beitragen, Teilhabegerechtigkeit zu verwirklichen, soziale Benachteiligungen zu überwinden und die uns umgebenden Verhältnisse als gestaltbar zu begreifen.
Wer den Mut hat, alltägliche Routinen hinter sich zu lassen und an Lösungen zu arbeiten, die jenseits linearer Denkmodelle zu finden sind, betritt den Raum, in dem Zukunft gestaltet wird. Zukunftsfähigkeit benötigt innovatives Denken. Der Einsatz von künstlerischen Strategien schärft die Sinne, lässt Raum für Intuition und öffnet neue Perspektiven in komplexen Situationen.